Leistungsbeschreibung des Kinderhausverbundes, Stiftung Glaubens- und Lebenshilfe Essen

A. Leistungsbeschreibung des Kinderhausverbundes der Stiftung Glaubens- und Lebenshilfe, Essen Stand: Januar 2015

a) Gesamteinrichtung

1. Kurzbeschreibung der Gesamteinrichtung

Der Kinderhausverbund der Stiftung Glaubens- und Lebenshilfe ist eine Einrichtung der stationären Jugendhilfe für 31 Kinder und Jugendliche, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr in ihrer Familie leben können und einer besonderen pädagogischen Betreuung bedürfen.

Dazu betreibt die Stiftung Glaubens- und Lebenshilfe drei Kinderhäuser, die sich in drei verschiedenen Stadtteilen Essens befinden. In jedem Kinderhaus wohnen drei bis vier Familien in ihren eigenen Wohnungen. Garten, Spielgelände, Besuchsräume, Bastel-, Sport- und Spielräume werden jeweils gemeinsam genutzt.

In jeder Kinderhausfamilie (im Fachterminus: Sozialpädagogische Lebensgemeinschaft) leben Fachkräfte (ErzieherInnen/ SozialpädagogInnen/ SozialarbeiterInnen) mit aufgenommenen und eigenen Kindern in familiärer Gemeinschaft. Das Angebot ist koedukativ und in der Regel altersmäßig vertikal strukturiert.

Fünf weitere sozialpädagogische Lebensgemeinschaften bilden sogenannte Außenstellen. Sie sind organisatorisch jeweils einem der Kinderhäuser zugeordnet und arbeiten nach dem gleichen Konzept wie eine Kinderhausfamilie.

2. Leitbild, Selbstverständnis, fachliche Leitlinien

Der Kinderhausverbund versteht sich als eine Einrichtung der Diakonie, in der jungen Menschen durch einen kleinen und konstanten Bezugsrahmen und durch eine familiäre Beziehungsgestaltung geholfen wird, ein selbstständiges und eigenverantwortliches Leben in dieser Gesellschaft anzustreben. Junge Menschen erfahren so Familie als stabiles emotionales und kognitives Lernfeld, das emotionale Bedürfnisse nach Sicherheit, Orientierung und Geborgenheit befriedigt. Sie lernen durch Zuschauen, Mittun, Aufgabenübernahme oder Anpassung an situative Gegebenheiten, das heißt, Erziehung geschieht dabei weniger als expliziter denn als impliziter Vorgang.

Unter Berücksichtigung ihrer individuellen Ziele und Persönlichkeitsentwicklung erleben junge Menschen, dass es sich lohnt, zu leben und dafür zu arbeiten und dass sie wertvoll sind.
Unseren christlichen Auftrag – für Benachteiligte zu sorgen – setzen wir um, indem wir durch ein sehr individuelles Betreuungsangebot Jugendhilfe mitgestalten und auf gesellschaftliche Entwicklung Einfluss nehmen.

3. Gesetzliche Grundlage

Der Kinderhausverbund ist eine Einrichtung der Jugendhilfe nach §§ 27, 34, 35a und 41 SGB VIII mit 31 Plätzen für Kinder und Jugendliche. Der Kinderhausverbund hält auch eingestreute Plätze nach §§ 53 ff SGB XII vor. Dazu müssen im Einzelfall vom Landschaftsverband der Betreuungsrahmen für angemessen gehalten und die üblichen Leistungsentgelte akzeptiert werden.

4. Übergreifende Angebote im personellen und räumlichen Bereich

Für die Leitung des Kinderhausverbundes, die Fachberatung der Mitarbeiter und übergreifende Angebote für Kinder und Jugendliche sind ein Diplom-Sozialarbeiter mit familientherapeutischer Zusatzausbildung sowie ein Diplom- Sozialarbeiter mit zusätzlicher kaufmännischer Ausbildung und eine Erzieherin/ Familientherapeutin angestellt.
Hinzu kommen der Verwaltungsbereich und der Wirtschaftsdienst (hauswirtschaftliches Personal, Hausmeister).

Den Kinderhauseltern wird regelmäßig im zweimonatigen Rhythmus Fortbildung und nach Bedarf Team- und Einzelsupervision angeboten.

Den Kinderhausfamilien stehen in jedem Kinderhaus sowie im Verwaltungsgebäude der Stiftung mehrere allgemeine Räumlichkeiten zu Verfügung. (Saal für Feste und Feiern, Spielräume, Bastelräume, Partykeller, Gesprächsräume, etc.)

b) Leistungsbereich

1. Leistungsangebot: Platz in einer sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft

1.1. Platzzahl und Größe der Betreuungseinheiten

Die 15 sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften (im folgenden wieder nach intern benutzten Terminus Kinderhausfamilie genannt) befinden sich in drei Kinderhäusern und fünf Außenstellen. Jede Kinderhausfamilie verfügt über eine 120 bis 200 Quadratmeter große Wohnung. Die Familiengröße liegt bei 1 bis 5 Kindern (eigene und aufgenommene Kinder). Die Gesamtplatzzahl beträgt 31.

1.2. Betreuungsdichte und Qualifikation der Mitarbeiter

Jede Familie nimmt zu den eigenen Kindern 1 bis 2 Kinder auf. Im Erziehungsdienst beträgt der Personalschlüssel bezogen auf die aufgenommenen Kinder 1 : 2.
Im pädagogischen Bereich sind Erzieherinnen und SozialpädagogenInnen/ SozialarbeiterInnen und Mitarbeiter mit adäquaten pädagogischen Kenntnissen beschäftigt. Die Väter, teilweise mit pädagogischer Ausbildung, sind nebenberuflich in die Kinderhausarbeit eingebunden.

1.3. Rechtliche Grundlage

§ 27 SGB XIII Voraussetzung einer erzieherischen Hilfe
§ 34 SGB VIII Hilfe zur Erziehung durch Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform
§ 35a SGB XIII Seelische Behinderung
§ 36 SGB VIII Hilfeplanung
§ 41 SGB VIII Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung
In Einzelfällen:
§ 53 ff SGB XII Eingliederungshilfe

1.4. Zielgruppe

Angebot für Kinder und Jugendliche/ junge Erwachsene, die

  • mittel- oder langfristig außerhalb ihrer eigenen Familie leben müssen.
  • die sich auf ein intensives und kontinuierliches Beziehung- und Betreuungsangebot einlassen können.
  • die dazu die „Erlaubnis“ der Herkunftsfamilie bekommen, soweit es sich bei der Unterbringung nicht um eine vormundschaftsgerichtlich angeordnete Maßnahme handelt.

Zu den möglichen Indikationen gehören u.a.:

  • Psychische Erkrankung der Eltern
  • Massive Suchtprobleme der Eltern
  • Prostitution, meistens der Mutter
  • Sexueller Missbrauch
  • Hohes Aggressionsniveau in der Familie
  • Verwahrlosung (körperlich, gesundheitlich, schulisch)
  • Ablehnung durch die Eltern oder eines neuen Lebenspartners
  • Häufiger Partnerwechsel eines Elternteils
  • Kinder mit so massiven Störungen (extreme Unruhe, hochgradige Verschlossenheit, Einkoten, Einnässen etc.), dass eine Pflegefamilie mit der Betreuung über einen langen Zeitraum überfordert wäre

1.5. Sozialpädagogische Grundleistungen

a) Alltag/ Setting/ Umfang der Betreuung

Wahrnehmung der Aufsichtspflicht durch die Kinderhauseltern oder durch familienübergreifende Vertretungsregelung

Vorhalt einer pädagogischen Fachkraft 24 Stunden am Tag

Das Aufwachsen in einer Familie ist gekennzeichnet durch ein intensives Beziehungsangebot, eine komplexe tägliche Versorgung und Betreuung, eine umfassende Verantwortung für die Kinder durch die Kinderhauseltern. Dies bedeutet größtmögliche Entformalisierung, geringe Hierarchiestrukturen, kurze Entscheidungswege und eine Alltagsgestaltung unter lebensnahen Bedingungen.

Auseinandersetzung mit Werte- und Glaubensfragen, Freizeitgestaltung

b) Individuelle Förderung

Förderung und Überwachung von Gesundheit und Entwicklung
Einübung von lebenspraktischen Fähigkeiten
Begleitung der Persönlichkeitsentwicklung
Förderung des Sozialverhaltens

c) Eltern- und Familienarbeit

  • Einbeziehung der Eltern und Information über den Entwicklungsverlauf
  • Gegenseitige Absprachen zu Erziehungsfragen und Besuchsregelungen
  • Reflexion durchgeführter Besuche, Vor- und Nachbereitung von Besuchswochenenden und von Beurlaubungen nach Hause
  • Einladung der Eltern zu besonderen Festen und Feiern, Organisation gemeinsamer Unternehmungen und Ausflüge
  • Gegebenenfalls intensive Begleitung der Besuchskontakte
  • Im Einzelfall Hausbesuche durch das pädagogische Personal
  • Im Einzelfall Vorbereitung der Rückführung mit den Eltern

d) Psychologische Grundleistungen

  • Interne Erziehungsplanung (Kinderhausfamilie mit pädagogischer Leitung) und deren Dokumentation
  • Kinderhausbesprechung (Teaminterne Fallkonferenz ggf. unter Hinzunahme von Fachleuten und Beratern
  • Erstellen von Entwicklungsberichten mit entsprechenden Empfehlungen zur weiteren Betreuung
    (inkl. Organisation interner Leistungen oder externer Hilfen und Therapien)
  • Vor- und Nachbereitung der Hilfeplangespräche
  • Teilnahme an Hilfeplan- und Fachgesprächen

e) Schulische und berufliche Förderung

In Absprache mit den Eltern / Vormündern und dem Jugendamt:

  • Suche und Entscheidung über eine geeignete Schulform und Schule
  • Unterstützung bei der Entscheidung und Suche eines Ausbildungs- oder Praktikumsplatzes, eines Förderlehrgangs oder einer berufsvorbereitenden Maßnahme oder eines Arbeitsplatzes (Zusammenarbeit mit Arbeitsamt, Trägern der Berufsbildung etc.)
  • Abgestufte Anleitung, Unterstützung und Kontrolle bei den Hausaufgaben (ggf. Sondermaßnahmen über Zusatzleistungen)
  • Lehrergespräche, Teilnahme an Elternsprechtagen, Termine mit den Ausbildern, Praktikantenanleitern und den Sozialarbeitern der Werkeinrichtungen
  • Konfliktintervention in Schule und Beruf mit dem Ziel, die Schule, Ausbildung oder Maßnahme
    fortsetzen zu können

1.6. Versorgungsbereich

a) Hauswirtschaftliche, technische Leistungen

Die Kinderhausfamilien werden durch hauswirtschaftliche Kräfte (bei der Raum- und Wäschepflege, beim Lebensmitteleinkauf u.a.) unterstützt.
Das reibungslose Funktionieren und die Instandhaltung der Kinderhäuser werden durch den einrichtungseigenen Hausmeister oder durch Beauftragung von Fachfirmen gewährleistet.
Für hausmeisterliche Tätigkeiten (z.B. für die Pflege der Grundstücke) sind weiterhin in jedem Kinderhaus jeweils ein Zivildienstleistender über das Bundesamt für Zivildienst eingesetzt.

b) Räumlichkeiten

Den Kindern/ Jugendlichen stehen in den Kinderhausfamilien Einzelzimmer zur Verfügung, die sie nach ihren individuellen Wünschen mitgestalten können.
Dazu gehören weiter die in jeder Kinderhausfamilie individuell eingerichteten Wohn- und Spielbereiche, sanitäre Anlagen und die Nutzung der familienübergreifenden Räumlichkeiten.
Für den ersten Schritt in die Verselbstständigung und Vorbereitung auf das SBW der Jugendlichen stehen zudem in den Kinderhäusern drei sogenannte Verselbstständigungsapartments ( 1 Raum, Küche, Bad) zur Verfügung. Die Jugendlichen erhalten zunächst noch alle sozialpädagogischen Grundleistungen eines Kinderhauskindes, nur die Wohnform ist schon räumlich von der Kinderhausfamilie getrennt. Dieses Angebot ermöglicht auch eine Aufnahme älterer Jugendlicher (ab ca. 16 Jahren), die nach Einschätzung des Jugendamtes noch ein familiäres Setting , aber aufgrund ihres Alters und Entwicklung schon den eigenen Wohn- und Rückzugsraum benötigen.
1.7 Individuelle Zusatzleistungen

Im Rahmen des Hilfeplanverfahrens können individuelle Zusatzleistungen vereinbart und über Fachleistungsstunden abgerechnet werden. Besonders zu denken ist dabei an:

  • zusätzliche therapeutische Hilfe
  • Ausgleich von schweren Lerndefiziten durch qualifizierte Nachhilfestunden
  • intensive schulische Einzelbetreuung (schulische Assistenz)
  • intensive Elternbetreuung in Form von Elternberatung

1.8. Hilfe für junge Volljährige nach §§ 34, 35a, 41 SGB VIII und §§ 53ff SGB XII

Im Anschluss an eine Betreuung in den Kinderhausfamilien besteht die Möglichkeit, Plätze des betreuten Wohnens zu schaffen, die auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Einzelfalles zugeschnitten sind.

1.8.1. Zielgruppe

Volljährige Jugendlich, die in einer Kinderhausfamilie betreut wurden und die die wesentlichen äußeren Bereiche eines selbständigen Lebens weitgehend bewältigen, jedoch durch gravierende Ausgangsproblematiken, bezogen auf das Herkunftsmilieu, noch der regelmäßigen Betreuung bedürfen.

In Einzelfällen können auch junge Erwachsene im Rahmen der Eingliederungshilfe bis zur Beendigung ihrer beruflichen Ausbildung betreut werden.

1.8.2. Sozialpädagogische Grundleistungen

a) Alltag/ Setting

Die Betreuungsdichte ist je nach Einzelfall sehr unterschiedlich. Sie kann nach terminlicher Absprache 2-3 Kontakte pro Woche betragen, aber auch noch tägliche strukturierende Unterstützung bedeuten.

  • Die Arbeit umfasst:
    Auseinandersetzung mit der Tatsache, nun in einem eigenen Bereich /Apartment im Kinderhaus zu leben
  • Klärung der eigenen Stärken und Schwächen
  • Hilfestellung bei der Lösung von sozialen Konflikten (Partnerprobleme u.ä.)
  • Realisierung des Tagesablaufes und den daraus resultierenden terminlichen Verpflichtungen
  • Aufarbeitung von „Rückfalltendenzen“ (Haushaltsführung, Schule/Beruf, Verhalten)
  • Herstellung und Pflege sozialer Kontakte (Freizeitbereich)
  • Gestaltung der Freizeit im Allgemeinen
  • Training sozialer Kompetenzen in praktischen Lebensbereichen
  • Einholen von wichtigen Informationen, Behördenangelegenheiten usw.
  • Überprüfung der Wohnsituation

b) Individuelle Förderung, dazu gehören:

  • Aufbau eines eigenen Lebensfeldes
  • Bezug und Gestaltung einer eigenen Wohnung
  • Selbstversorgung im hauswirtschaftlichen Bereich
  • Entwicklung einer eigenen Lebensperspektive
  • Planung und Realisierung von schulischer und/oder beruflicher Integration
  • Verantwortlicher Umgang mit Geld und Sicherstellung sozialrechtlicher Ansprüche
  • Auseinandersetzung mit Rechten und Pflichten als Staatsbürger
  • Stärkung der personalen und sozial- emotionalen Kompetenz
  • Klärung und Aufbau von Beziehungen, Beziehungsfähigkeit
  • Bewältigung persönlicher Krisen

c) Eltern- und Familienarbeit

Da es sich bei der Betreuung in der Regel um volljährige Jugendliche handelt, bestimmen sie grundsätzlich die Form und Intensität ihrer Beziehungen zum Elternhaus selbst. Wenn seitens der jungen Erwachsenen der Wunsch besteht, bestehende Konflikte in diesem Zusammenhang zu bearbeiten, wird dies durch die Mitarbeiter gefördert und begleitet.

d) Psychologische Grundleistungen

  • Fortschreibung und Aktualisierung der psychosozialen Diagnostik und der daraus abzuleitenden Schlussfolgerung für die weitere
  • Erziehungsplanung und Betreuung
  • Erziehungsplanungsgespräch mit dem Jugendamt/Verband, Fachleuten und Beratern
  • Pädagogische Stellungnahmen, Entwicklungsberichte und Empfehlungen
  • Vor- und Nachbearbeitung von Hilfeplangesprächen
  • Organisation von internen Zusatzleistungen oder externen Hilfen, die sich aus der Hilfeplanung ergeben

e) Schulisch – berufliche Situation

  • Unterstützung bei der Vorbereitung und Auswahl der Berufs- bzw. Schulausbildung
  • Motivation zum regelmäßigen Schul- bzw. Ausbildungsbesuch
  • Organisation von Nachhilfe und Praktika
  • Beschaffung berufsvorbereitender Angebote (Arbeitsamt, Träger der Berufsbildung)
  • Begleitende Kontakte zu Lehrpersonen, die dem Erreichen des Schul- und/oder Lehrabschlusses
    dienen
  • Hilfe zur Konfliktlösung am Schul-, Ausbildungs- oder ArbeitsplatzIm Fall von bewilligter Eingliederungshilfe können junge Erwachsene bis zur Beendigung ihrer Ausbildung in der familienbezogenen Betreuung verbleiben.

1.8.3. Versorgungsbereich

a) Hauswirtschaftliche, technische Leistungen

Grundsätzlich wird für das Wohnen im Apartment vorausgesetzt, dass die jungen Erwachsenen bereits über die wichtigsten Grundfertigkeiten im hauswirtschaftlichen Bereich verfügen. Die Leistung der Einrichtung besteht daher vorrangig in der entsprechenden Beratung.

Für größere Aktionen, wie Wohnungsrenovierung und Umzug sowie das Beschaffen von größeren Möbelteilen, steht den Jugendlichen nach terminlicher Absprache Hilfe zur Verfügung. Diese wird besonders durch die pädagogischen Betreuer und den Hausmeister des Kinderhausverbundes erbracht.

Im Falle der Betreuung im Rahmen der Eingliederungshilfe sind die Unterstützung und Betreuung den Bedürfnissen und Erfordernissen der jungen Erwachsenen individuell angepasst.